Hoffnungslose Romantikerin. Idealistin. Träumerin.
Das waren Worte, die Leah Havering schon seit ihrer Kindheit begleiteten. Persönlichkeitsbeschreibungen, wogegen sie sich nie gewehrt hatte. Warum auch, beschrieben jene Worte ihren Charakter doch ausgesprochen gut. Das dunkelhaarige Mädchen hatte immer schon lieber zu Hause in ihrem Zimmer gesessen, gelesen, gezeichnet oder sich in ihre eigene Traumwelt zurückgezogen. Sie glaubte an die große Liebe, die Unantastbarkeit der Ehe und träumte davon, später einmal eine große Familie mit Haus und Hund zu haben. Zudem war sie ebenso wie ihre gesamte Familie gläubige Christin und ging jeden Sonntag zum Gottesdienst in ihrer Gemeinde. Bis heute galt das jüngste Mitglied der Haverings als hilfsbereit, selbstlos, großherzig und sozial engagiert. Sie hatte wenige, dafür aber wahre und loyale Freunde, denen sie vollends vertrauen konnte. Sie war schon immer ein Mensch, der unvoreingenommen und aufgeschlossen auf andere Menschen zuging. Sie war ausgesprochen tolerant und versuchte stets, das Gute im Menschen zu sehen und jedem eine zweite Chance zu geben.
Aber ebenso galt Leah als gutgläubig sowie nicht selten als viel zu naiv und leichtgläubig, um sich in dieser mitunter grausamen Welt zurechtzufinden. Sie ließ sich viel zu oft von vorgetäuschter Reue und einem schuldbewussten Hundeblick um den kleinen Finger wickeln, glaubte sie doch, dass in jedem etwas Gutes steckte, egal was er in der Vergangenheit auch getan hatte. Daher glich ihre monatliche Kreditkartenabrechnung auch vielmehr einem Spendenmarathon; die Kinderkrankenschwester spendete für jede noch so bekannte und unbekannte Spendenorganisation. Unicef. Amnesty International. Médecins Sans Frontières. Greenpeace - und viele kleinere Organisationen, deren karitativer Hintergrund mehr als fraglich war. Aber das war ihr egal, war sie doch eine hoffnungslose Optimistin. Sie weigerte sich, auch nur einen ihrer Daueraufträge zu stornieren, egal wie oft ihre Freunde sie schon davor gewarnt hatten, dass diese Menschen lediglich ihre Hilfsbereitschaft ausnutzten und sie aus völlig eigennützigen und egoistischen Gründen um ihr Geld bringen wollten. In diesem Zusammenhang konnte Leah ungewohnt stur und beratungsresistent sein. Ihr Altruismus war etwas, in den sie sich ungern reinreden geschweige denn davon abhalten ließ. Für die unschöne Wahrheit und knallharte Fakten war sie in dieser Hinsicht auf beiden Augen blind und beiden Ohren taub.