“yesterday is heavy. put it down.“
❞Wie Eden als Person beschrieben wird, hängt wohl sehr stark davon ab, wen man fragt. Aber beginnen wir mit dem, was wohl für die meisten Menschen, die mit ihr in Kontakt stehen, eine passable Beschreibung ihres Charakters darstellt. Sie ist furchtbar ordentlich, vielleicht sogar schon zwanghaft. Nein - ziemlich sicher zwanghaft. Das Chaos in ihrem Kopf beruhigt sie damit, dass sie täglich mehrmals staubsaugt und mindestens zwei Mal die Woche ihre Fenster putzt. Sie ist herzlich und sanftmütig, hat immer Verständnis für jeden und ein offenes Ohr. Sie hat ein unfassbar großes Herz für Tiere jeder Art und sieht in allem und jedem das Positive. Auf der anderen Seite jedoch ist sie schnell zu verunsichern, neigt dazu Dinge zu verschweigen oder gar alternative Handlungen zu erfinden, um nicht ihr wahres Inneres zu zeigen. Kommen wir nun zum Eingemachten. Die Seite, die nur die wenigsten Menschen jemals zu sehen bekommen: Ein kaputtes, dennoch großes Herz. Die riesige Angst sich ernsthaft wieder auf Menschen einzulassen, da sie auch diese verlieren könnte. Sie redet selten von sich selbst und ist unsagbar mies darin ihre Gefühle auszudrücken. Seit dem Tod ihrer Mutter und ihres kleinen Bruders hat sie sich geschworen nie wieder „Ich liebe dich“ zu sagen. Seit dem Unfall leidet sie an schlimmen Albträumen und kämpft gegen ihre Tablettensucht an, da sie ohne diese mittel nicht schlafen kann. Ihre große Leidenschaft für die Kirche und Religion rührt nicht von irgendwo. Es spendet ihr Trost, sich mit dem Leid und der Hoffnung anderer Menschen zu befassen. Vielen geht es wie ihr. Hier fühlt sie sich nicht so allein. Hier fühlt sie sich sicher - geborgen und verstanden. Ihr Faible für Gedichte und ihre künstlerische Ader. Kaum einer weiß von ihrem kleinen Atelier, in dem sich zahlreiche eigene Kunstwerke befinden. Sie singt gerne, wenn doch meistens für sich. Der Einzige, der all diese Dinge weiß und jemals gesehen oder gehört hat, ist ihr Vater. Die Liste ist lang. Wer weiß - vielleicht schaffst ja du es hinter die Fassade zu blicken und dir ein eigenes Bild zu machen?
❞show me your ways, lord, teach me your paths.
guide me in your truth and teach me, for you are
god my savior, and my hope is in you all day long.
psalm 25:4-5
„You are my sunshine, my only sunshine…“
Nach einer langen, steinigen Reise und vielen, vielen Versuchen schwanger zu werden, war es Camille und George Blanchard im Jahr 1999 endlich vergönnt gewesen, ihr eigenes kleines Wunder bei seiner Reise begleiten zu können. Nicht nur, dass Camille nicht auf natürlichem Wege hatte schwanger werden können, sondern auch eine lange Phase der finanziellen Not hatten die junge Familie geplagt. Und wie es das Schicksal so wollte, wurde Eden am Valentinstag 1999 geboren. Liebevoll nannte Camille sie ihr „lovechild“. Trotzdem ihre Mutter sie so sehr liebte, war es doch George, der einen besonderen Platz im Herzen seiner kleinen Tochter hatte. Wann immer die Unruhe über sie kam, sie nicht schlafen konnte oder einfach Angst vor der Welt hatte, war es nur er, der ihr die Sicherheit gab, die jedem Neugeborenen versprochen wurde. In einer Wohnung, die lediglich ein Zimmer umfasste, lebten die Drei schlicht aber glücklich in der Southside. Es war gefährlich, dennoch das Einzige, was die junge Familie sich zu diesem Zeitpunkt leisten konnte. George selber hatte Kunstgeschichte studiert und seine Frau Camille war Krankenschwester gewesen. Seitdem Eden da war, konnte Camille nicht arbeiten gehen und George selbst arbeitete als Hausmeister in einer kleinen Schule. Es war schwer etwas zu finden, was sein Herz so erfüllte, wie die Kunst. Doch eines Tages hörte George, wie sich zwei Väter von Schülern auf dem Korridor über ein Theaterstück unterhielten, welches einer von ihnen inszenierte. Und sofort wusste George, dass es seine Chance war. Es dauerte nicht lange, bis auch er in diesem Ensemble begann zu arbeiten. Er kündigte seinen alten Job und wurde Teil der Autoren für das Theater „la vie en rouge“. Er liebte es. Nun brannte sein Herz nicht nur vor Leidenschaft, wenn er abends nach hause kam, sondern auch jeden Tag, wenn er sich auf den Weg zur Arbeit machte. Und wie es im Leben eben so ist, macht man Dinge besonders gut, wenn man sie gern tut. Es dauerte nicht lange und die Familie konnte sich eine größere Wohnung leisten. Nach der größeren Wohnung kam das erste Auto, nach dem ersten Auto kam der neue Job. Ohne dass George wusste, wie ihm geschah, sprach sich sein außergewöhnliches Auge für die Ästhetik in ganz Hollywood herum. Und nun, zehn Jahre nach der Geburt seiner kleinen Tochter, hatte er das geschafft, womit niemand gerechnet hatte. Nach zahlreichen Umzügen und Projekten, an denen er gearbeitet hatte, hatte er es zum Film geschafft. Als einer der größten Nachwuchsregisseure Hollywoods wollte plötzlich jeder mit George Blanchard arbeiten. Camille musste schon lange nicht mehr arbeiten gehen. Ihre einzige Aufgabe war es, die große Villa in den Hollywood Hills in Schuss zu halten und für Eden ein Zuhause zu schaffen. Und zudem meinte das Schicksal es weiterhin gut mit der kleinen Familie. Wie durch ein Wunder war Camille doch schwanger geworden. Das Glück schien perfekt.
Eden war ein sehr lebhaftes, fröhliches Kind. Sie tanzte gerne, lachte viel und verbrachte die meiste Zeit im Garten des großen Anwesens. Sie liebte es zu malen und den Tieren im Garten zuzusehen, wie sie das taten, was sie eben taten. Es war perfekt. Sie ging gerne zur Schule, hatte tolle Freunde gefunden und freute sich auf ihren kleinen Bruder. Assan wurde schließlich im Mai 2012 geboren. Ebenso wie Eden erfüllte er die Familie mit purer Freude. Es schien ganz so, als sei die Familie vom Fluch Hollywoods verschont geblieben und lediglich dazu bestimmt, glücklich zu sein. Zwar war George viel unterwegs und selten Zuhause, dennoch schaffte er es, die wenige Zeit, die sie gemeinsam hatten, zu einer wunderschönen Zeit zu machen. Tolle Reisen und Unternehmungen kamen genauso häufig vor, wie entspannte Spieleabende mit der Familie oder das gemeinsame Singen, während Eden Klavier spielte. Es war wie im Bilderbuch. Und jeder, der Hollywoodfilme kennt, weiß, dass nun etwas kommen musste, um die Spannungskurve einzuleiten. Es kann nicht immer nur alles perfekt laufen. Kein Mensch kann so viel Glück haben - das wäre doch unfair. Oder nicht?
17. Juli 2018, 20:47. Eden befand sich gerade auf dem Beifahrersitz des Range Rover ihrer Mutter. Camille fuhr den Wagen, während Assan auf der Rückbank auf dem Sitz hinter Camille saß. Er war auf einer Welle der Euphorie, war er doch noch so beflügelt von dem Kinofilm, den er soeben mit seiner Mutter und seiner großen Schwester gesehen hatte. Auch Eden hatte unsagbar gute Laune. Nachdem sie die Schule beendet hatte, war sie erst eine Weile um die Welt gereist. Gemeinsam mit ihren drei besten Freunden hatte sie diese Reise lange geplant gehabt. Europa, Asien, Australien… Alles hatten sie gemeinsam besucht. Und nun war sie seit gut 5 Monaten wieder zurück. Sie machte derzeit ein bezahltes Praktikum bei einem großen Radiosender in Los Angeles, welcher sie ziemlich sicher auch übernehmen würde. Schon immer war ihr klar gewesen, dass sie - genau wie ihr Dad - die Menschen unterhalten wollte. George selbst war nicht mit im Wagen. Es war eine seiner Fimpremieren gewesen, auf denen Camille, Eden und Assan eben gewesen waren. Es handelte sich um den nächsten großen Blockbuster, welcher bereits jetzt von der Kritik in die Höhe gelobt wurde. Anders als der Rest seiner Familie musste George also noch auf der Aftershow-Party glänzen. Camille und Eden hatten beschlossen mit Assan die Rückfahrt anzutreten, da dieser am nächsten Tag in die Schule musste. Sie lachten gemeinsam, sangen laut zur Musik mit und Camille tippte im Tackt auf dem Lenkrad. Und dann ging alles ganz schnell. Ein lautes Hupen, das Quietschen von Reifen, Scheinwerfer überall und dann nichts. Leere. Nur ein stetiges, ununterbrochenes Piepen, so als hätte Eden einen Tinnitus, den sie einfach nicht loswerden konnte.
today Wie sich ein aufmerksamer Leser bereits denken konnte, war das das abrupte Ende des Märchens. Am Abend des 17. Juli 2018 wurde die kleine Familie auseinander gerissen. Weder Camille, noch der kleine Assan überlebten den Unfall an der Kreuzung des Hollywood Boulevards. Lediglich Eden hatte das Glück, auf der richtigen Seite im Fahrzeug gesessen zu haben. Nach einem langen Aufenthalt in der Reha-Klinik, vielen Monaten um Rollstuhl und zahlreichen Therapie-Sitzungen hatte sie wieder laufen können. Bis auf zwei riesige Narben an ihren Oberschenkeln hatte sie keine äußerlichen Erscheinungen davon getragen. Ihr Inneres war es, was sie bis heute zerriss. Genau wie George, der sich nach dem Vorfall noch mehr in seine Arbeit flüchtete, als ohnehin schon, wurde sie nie wieder die Selbe. Sie sagte nichts zu den zahlreichen Frauen, die ihr Vater mit nach Hause brachte. Sie sagte nichts, als nach und nach die Erinnerungen an ihre alte Familie aus dem zuhause verschwanden. Jeder verarbeitete Verlust anders, so hatte es Dr. Lopez zu ihr gesagt. Und sie fand ihren Trost in der Kirche. So seltsam es klingen mag, tröstete sie die Ruhe und die drückende Schwere innerhalb des Hauses Gottes. Sie fühlte sich auch äußerlich so allein, wie sie es innerlich war. Und doch war da etwas - jemand - der ihr Hoffnung gab. Nichts geschah ohne Grund, nicht wahr? Gott hätte ihr diese schwere Last niemals auferlegt, hätte er nicht gewusst, dass sie damit würde stärker werden. Jede freie Sekunde verbrachte sie in der Kirche in den Hollywood-Hills. Sie engagierte sich ehrenamtlich, gehörte bald schon fest zum Bestandteil der Kirche. Jeder mochte sie und ihre sanfte, ruhige Art. Das Lächeln, das einen immer an der Eingangstüre erwartete, sofern der Gottesdienst begann. Sie flüchtete sich komplett in die Arme des Herren, um sich nicht in die Depression zu stürzen. Jeder, der sie zu dieser Zeit kennenlernte, würde sie als liebes, sanftes Wesen beschreiben, mit einem großen Herzen für alles und jeden. Und dennoch schlummerte in ihr die Trauer. Die Angst, vor dem Alleine-Sein und die Angst, sich wieder auf jemanden einzulassen. Eden legte ihren ersten Vornamen „Valentina“ ab, wollte nicht mehr so genannt werden. Camille hatte ihn ausgesucht. Sie verhaftete es nicht, diesen Namen zu hören. Nachdem sie aus den zahlreichen Krankenhausaufenthalten zurückgekehrt war, hatte sie tatsächlich begonnen beim Radio zu arbeiten. Sie liebte es.
Wenn nicht in der Kirche, dann flüchtete Eden sich in die Kunst. Malen, singen, tanzen… Hauptsache keine Zeit für die traurigen Gedanken und Erinnerungen, welche sie bereits in ihrem Schlaf heimsuchten. Sie fand Trost in den Armen Gottes und unter den Fittichen der Kunst. Ein Gerüst, welches sie sich erbaut hatte, um nicht in sich zusammenzufallen. Eine hübsche, blonde Hülle, welche sich irgendwann dennoch mit dem Geschehen würde auseinandersetzen müssen. Aber bis dahin hatte sie mehr als genug Zeit sich die Probleme und Sorgen der Anderen anzuhören - und ganz besonders die, eines bekannten junge Influencers. Aber dieser Teil ihrer Geschichte musste erst noch geschrieben werden. Wer weiß, was der Herr noch für sie bereit hält.